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Mit dem Jahreswechsel 1999-2000 gingen nicht nur ein Jahrhundert und ein Jahrtausend zu Ende (wenn sich darüber bekanntlich auch streiten lässt), sondern auch das Strauß-Jahr, in dem sich so unterschiedliche Künstler wie Zubin Mehta, Nikolaus Harnoncourt oder André Rieu mit den Werken des berühmten Wieners und seinen Verwandten beschäftigten. Wem das noch nicht genügte oder wer jetzt erst so richtig auf den Geschmack gekommen ist, dem sei das diesjährige Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker empfohlen — am ersten Januar erst erklungen und schon auf CD erhältlich.
Zum wiederholten Male brillierte am Dirigentenpult der temperamentvolle Italiener Riccardo Muti, derzeit u.a. Chef der Mailänder Scala und längst ein Liebling des Wiener Publikums. Die unvergleichlichen Wiener Philharmoniker, lange Zeit eine der letzten Bastionen uneingeschränkter Männlichkeit, nun aber zumindest mit Quotenfrau an der Harfe, glänzten am Neujahrstag mit einer Spitzenleistung an orchestraler Virtuosität, Klangkultur und Präzision. Wer die Live-Übertragung im Fernsehen verfolgt hat, die in diesem Jahr übrigens in vierzig Länder gesendet wurde, konnte erleben, wie Muti das Orchester zeitweise allein spielen ließ und nur hier und da plötzlich einen kräftigen Impuls gab, der dann von den Musikern augenblicklich in virtuose Klangeffekte umgesetzt wurde. Die Aufnahme ist zweifellos das Zeugnis souveräner musikalischer Zusammenarbeit auf allerhöchstem Niveau.
Ein großer Teil des Programms, das nicht nur Stücke von Johann Strauß senior und junior, sondern auch Eduard Strauß, Joseph Strauß sowie Franz von Suppé enthielt, bestand aus musikalischen Hommages der Komponisten an andere Nationen. Der dem Schah von Persien zugedachte “Persische Marsch” etwa half den Wienern aus der Verlegenheit, als sie nicht wussten, mit welcher Hymne der Würdenträger zur Weltausstellung 1864 zu empfangen sei. Sind es in diesem Stück immerhin etliche Sekunden, die ein unbestimmtes orientalisches Flair vermitteln, so vermisst man in der “Hellenen-Polka” oder der für England geschriebenen “Albion-Polka” deutliche Anklänge an die Musik der jeweiligen Nation, aber das tut den reizenden, energiegeladenen Stücken keinerlei Abbruch.
Mit drei Zugaben bedankten sich Dirigent und Orchester für die Ovationen des glücklichen Publikums. Manche haben schon vor sechzehn Jahren für dieses Ereignis Karten zu reservieren versucht. Besonders spannungsreich gelang neben dem abschließenden “Radetzkymarsch” vor allem “An der schönen blauen Donau”: Atemberaubende Effekte machen Mutis Interpretation dieses unsterblichen Walzers zu einem großartigen Erlebnis. –Michael Wersin
Specification: Neujahrskonzert in Wien 2000
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